Es ging darum, die Haut und ihre Prozesse zunächst einmal zu verstehen.

Neue Erkenntnisse durch Forschung

In den 1980er-Jahren dann setzte sich der Trend hin zu rein pflanzlichen Extrakten immer stärker durch. Gleichzeitig wurden die Haut und ihre Wechselwirkung mit äußeren Einflüssen weiter eingehend erforscht. Rund ein Jahrzehnt später gelang es den in der Forschung Tätigen, dank moderner Analytik und intensiver Forschung den Stoffwechsel in der Haut besser zu verstehen und entscheidende Prozesse zu entschlüsseln. Ein Meilenstein, denn in der Folge konnten „biointelligente Wirkstoffe“ als Reinsubstanzen identifiziert werden. Anschließend setzte der heute immer noch anhaltende Siegeszug der Peptide ein, die in die Regelkreisläufe der Haut eingreifen, um so den Hautzustand zu verbessern oder gesund zu halten.

Von natürlich bis synthetisch
Neben den Extrakten und Stoffen, die direkt aus der Natur gewonnen und deshalb als natürlich bezeichnet werden, entwickelten sich – auch wegen der immer besser werdenden Synthesemöglichkeiten – zunehmend zwei weitere Gruppen von Wirkstoffen. Diese bezeichnete man entweder als naturidentisch oder als synthetisch. Daraus folgte schlussendlich der Siegeszug der beiden Megatrends der letzten zehn bis zwanzig Jahre: Zum einen sind dies die „Cosmeceuticals“, die als oberste Prämisse Wirksamkeit und Aktivität für sich vereinnahmen. Zum anderen ist es die „Naturkosmetik“, die für sich die maximale Verträglichkeit im Hinblick auf Haut und Umwelt reklamiert. Interessant ist die neueste Entwicklung in diesen Bereichen, denn fortan galt es als wichtiges anzustrebendes Ziel, maximale Wirksamkeit bei gleichzeitiger Berücksichtigung der Ökologie zu vereinen.

 

Unter kontrollierten Bedingungen
Während man in früheren Zeiten Tiere oder Pflanzen züchten musste, um an das wertvolle Ausgangsmaterial für kosmetische Produkte zu gelangen, überlässt man diese Arbeit nun „fleißigen Helfern“, die (fast) von alleine arbeiten. Einzeller, Algen oder Bakterien werden hierfür unter kontrollierten Bedingungen in sogenannten Bioreaktoren gehalten. In Behältern aus Edelstahl oder auch aus Glas werden diese Mikroorganismen mit Substrat und allem Lebensnotwendigen versorgt und können sich so ungehindert vermehren. Dabei haben diese hochspezialisierten Helfer entweder einen Stoffwechsel, dessen Endprodukt das für die Kosmetikproduktion gewünschte Zielmolekül ist, oder aber es ist den Herstellern an der gesamten Zelle oder Alge gelegen. Diese kann dann nach ausreichendem Wachstum geerntet und zu kosmetischen oder anderen Wirkstoffen verarbeitet werden. Auf diese Weise werden heute nicht nur Arzneistoffe wie Antibiotika, sondern auch solche Reinstoffe wie zum Beispiel Zitronensäure, Vitamin C und Hyaluronsäure hergestellt.

 

Nicht nur für Kosmetika…!

Der unschlagbare Vorteil dieser Methode ist, dass die Hersteller unter stark kontrollierten (und kontrollierbaren) Bedingungen arbeiten können, die nicht von Vegetationsperioden oder ähnlichen Faktoren abhängen. Die Herstellerfirmen haben es so komplett in der Hand, die Produktion so zu optimieren, dass der gewünschte Aktivstoff in besonders hoher Konzentration erzeugt wird. Dabei ist festzuhalten, dass derlei biotechnologische Prozesse nicht nur der Herstellung für Kosmetika vorbehalten sind. Biotechnologisch kontrolliert ließe sich sicher auch einen „Spitzen-Bordeaux-Wein mit Prädikat“ produzieren, wenn der Verbraucher sich das wünschen würde.


Pflanzliche Stammzellen im Einsatz
Zuletzt wird diese Form der Biotechnologie mit pflanzlichen Stammzellen angewendet. Hierbei handelt es sich um besonders vitale und aktive Zellen, die in sogenannten Fermentern und Bioreaktoren tätig sind und zum passenden Zeitpunkt geerntet werden. Abhängig von der Pflanze und der Stammzelle erhält man dann Gemische aus Tausenden von Einzelsubstanzen. Diese werden dann in einem nächsten Schritt auf ihre epidermale Wirksamkeit getestet. Dass dabei zum Beispiel ein Extrakt aus ursprünglichen Apfelstammzellen einen hautstraffenden Effekt hat und dieser besondere Apfel weniger schnell schrumpelig wird als andere Äpfel, hat das Marketing natürlich dankbar aufgegriffen, wenngleich es mit der Realität und der speziellen Physiologie der Haut nichts zu tun hat. Fakt ist jedoch, dass solch ein Extrakt wirkt und zudem bei der Erzeugung weniger Energie und Wasser verbraucht wird, als es auf herkömmlichen Wegen notwendig gewesen wäre. Und noch ein weiterer Vorteil schlägt positiv zu Buche: Auch seltene und/oder geschützte Pflanzen kann man mit dieser Verfahrensweise als Ausgangsstoffe nutzen, ohne in die Natur eingreifen oder Bedenken in Sachen Artenschutz haben zu müssen. Somit steht der Weiterentwicklung und dem Ausbau dieser Technologie nichts im Wege.

 

Viel Potenzial für die Zukunft

Welche Entwicklungen dürfen wir also in Zukunft erwarten? Die jüngste Forschung beschäftigt sich aktuell unter anderem mit der Identifikation der einzelnen Wirkstoffe aus potenten Extrakten, um diese dann mit aufwendigen Methoden zu isolieren und aufzureinigen. Dieses Verfahren hat unter dem Begriff Naturstoffkosmetik Eingang in die professionelle Kosmetik beziehungsweise in die Palette der Herstellungsverfahren gefunden. So wird beispielsweise heute das Resveratrol der roten Weintraube ebenso in Reinform wie das Glabridin aus der Süßholzwurzel angeboten. Alternativ kann man die etwas simpleren Moleküle aber wieder naturidentisch oder synthetisch herzustellen. „Ewig grüßt das Murmeltier ...“, möchte man an dieser Stelle sagen und so sind wir alle gespannt, was uns die nächsten Jahre und Jahrzehnte in der professionellen Kosmetik bringen werden. Der Möglichkeiten gibt es viele. Seien wir gespannt!

Dr. Christian Rimpler, Chemiker und Pharmakologe, leitet seit 30 Jahren die Dr. Rimpler GmbH. Des Weiteren war er mehr als zwölf Jahre als ehrenamtlicher Vorsitzender des Branchenverbandes VCP (Verband Cosmetic Professional) tätig.

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